Mein Buch »Der Untergrund - Zur Soziologie jugendlicher Protestbewegungen«, das 1969 bei Luchterhand erschienen ist und sich damals zu einem Bestseller mit mehreren Auflagen entwickelte, ist neu und neu bearbeitet bei Coessenza in Italien erschienen.
Aus dem Originalvorwort:
«Pubblicato per la prima volta in lingua italiana nel 1971, Underground. Sociologia della contestazione giovanile, ha fornito le basi teoriche per la comprensione della semiotica della contestazione giovanile, equipaggiando lo scienziato sociale di innovative lenti interpretative circa lo studio delle tendenze politico-ideologiche che hanno interagito dentro e contro la cultura occidentale del secolo scorso. A quarant’anni
dalla sua pubblicazione Underground non ha smesso di dialogare con il presente: Walter Hollstein ha illustrato quanto «l’idea di una razionalità storica totale e una specificità, se non proprio di classe quantomeno di percezione psicologica, hanno favorito un processo di auto-identificazione dei gruppi giovanili e di autonomia del soggetto in uno spazio collettivo, nell’underground metropolitano, nei centri accademici, presentando davanti agli occhi
degli osservatori una popolazione fluttuante, un contesto magmatico in cui il territorio giovanile appare, nei flussi comunicativi e nella miriade di forme aggregative e solidali, apparentemente distinto e correlato, capace di causare un indebolimento dei meccanismi di
riproduzione sociale, una scollatura dei rapporti inter-generazionali e depauperamento dei criteri che regolano l’organizzazione della
polis. In prevalenza goliardico-controculturale e studentesco, nel movimento degli anni Sessanta è dunque prevalsa la ricerca di una
identità giovanile, una identità possibile di movimento perché sradicata da ogni tipo di rapporto di appartenenza, una, perché no, risposta
all’atomizzato e anonimizzato ruolo che le spinte della modernizzazione intendevano riservare al nuovo soggetto sociale».
Dalla prefazione di Luca Benvenga
26. Zürcher Präventionstag
Freitag, 20. März 2015
9.00 - 16.30 Uhr
Ort | Pfarreizentrum Liebfrauen Weinbergstr. 36, 8006 Zürich (oberhalb Central) |
Anmeldung | www.gesundheitsfoerderung-zh.ch/anmeldung (ab Ende Februar 2015 bis 13. März 2015 möglich) |
Information | Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention der Universität Zürich (EBPI) Tel. 044 634 46 29 (keine telefonische Anmeldung) |
Tagungsleitung | Rainer Frei, RADIX & Roland Stähli, EBPI |
Anmeldung notwendig
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
unter dem Titel "Angstbeißer, Trauerkloß, Zappelphilipp? – Seelische Gesundheit bei Männern und Jungen" findet an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf am 19. und 20. September 2014 der inzwischen 3. Männerkongress statt.
Unsere Veranstaltung bringt renommierte WissenschaftlerInnen und FachreferentInnen zusammen, die eine Bestandsaufnahme zur psychischen Gesundheit von Jungen und Männern leisten werden. In zahlreichen aktuellen Beiträgen untersuchen sie die Zusammenhänge zwischen rollentypischen Risiken und deren Auswirkungen auf Jungen und Männer. Die Veranstalter laden alle Interessierten – Männer und natürlich auch Frauen – zu einem spannenden Dialog ein, der nicht nur die seelischen Beeinträchtigungen von Jungen und Männern in den Mittelpunkt stellt sondern auch Lösungswege aufzeigen soll.
Weitere Informationen zum Programm, zu den Veranstaltern und zur Anmeldung entnehmen Sie bitte dem angehängten Flyer oder unserer Webseite » www.maennerkongress2014.de.
Per Mail erreichen Sie uns unter » kontakt@maennerkongress2014.de
Wir freuen uns über Ihr Interesse und bitten Sie um Weiterleitung dieser Einladung an Ihre Mitglieder, KollegInnen und Netzwerke.
Mit freundlichen Grüßen, für die Veranstalter
Prof. Dr. Matthias Franz
OA André Karge
Aus: Neue Zürcher Zeitung am Sonntag, 13. Juli 2014
Unsere Gesellschaft wird verständnisvoller und nachgiebiger – das ist gut so. Die Abkehr vom Leistungsprinzip, von Strenge und Strafe kann allerdings gefährliche Folgen haben,
schreibt Walter Hollstein.
06. März, 11:30 Uhr
EMPFANG
PREISVERLEIHUNG
ERÖFFNUNGSREDE
Prof. Dr. Ulrike Detmers
Gesellschafterin und Mitglied der zentralen Unternehmensleitung der Mestemacher-Gruppe Initiatorin zivilgesellschaftlicher Engagements für Gleichstellung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf
GRUßWORT
Manuela Schwesig
Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
FESTANSPRACHE
Prof. Dr. Walter Hollstein
Soziologe und Männerforscher
Autor des Buches „Was vom Manne übrigblieb. Das missachtete Geschlecht”
PRÄSENTATION DER PREISTRÄGER
Prof. Dr. Ulrike Detmers
LAUDATORINNEN DER SPITZENVÄTER
Dr. Sigrid Evelyn Nikutta
Vorsitzende des Vorstandes / Vorstand Betrieb Berliner Verkehrsbetriebe AöR (BVG)
Dr. Margit Weber
Frauenbeauftragte der Ludwig-Maximilians-Universität München
Sprecherin der Landeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an bayerischen Hochschulen
LAUDATIO FÜR DEN SONDERPREISTRÄGER
Dr. Heiko Lohmann
Herausgeber „Gasmarkt Deutschland” Berater / Experte Energiemarkt Europa
PREISÜBERGABE
Albert Detmers
Geschäftsführender Gesellschafter in der Mestemacher-Gruppe
und Prof. Dr. Ulrike Detmers
DANKESWORTE DER PREISTRÄGER
BETRIFFT: "Not am Mann", Süddeutsche Zeitung und "Single, männlich, sucht keine Heirat", Tagesanzeiger
Nachdem die "Süddeutsche Zeitung" diesen Artikel auf ihre Facebook-Seite stellte, wurde er bislang 230mal geteilt, 375 Personen klickten "gefällt mir" an. Andere Artikel der "Süddeutschen" werden auf Facebook zwischen zwei- und zwanzigmal geteilt, herausragend beliebte Beiträge schaffen es gerade so in den dreistelligen Bereich. Dementsprechend fand man Hollsteins Beitrag am Tag nach der Veröffentlichung auch in den Top 100 der meistgelesenen Online-Texte (wie schon einige Tage zuvor der Beitrag im zürcher "Tagesanzeiger").
Offenbar interessieren Männerthemen inzwischen ...
Die neue weibliche Definitionsmacht/Walter Hollstein*
Seit dem Feminismus in den siebziger Jahren steht der Mann in der Kritik von Frauen. Dabei werden von Frauen Forderungen an den Mann gestellt, neue Männerbilder entworfen und die Erwartungen der Frauen an den Mann beschrieben. Der Mann selber als soziale Wirklichkeit kommt dabei nicht vor, ebenso wenig wie seine Bedürfnisse und Wünsche.
Ein aktuelles Beispiel dafür ist die Vorlesungsreihe „Der Mann“, die soeben an der Universität Zürich zu Ende gegangen ist. Ausschliesslich Frauen haben diese Veranstaltungen konzipiert; die meisten Referentinnen waren Frauen; die wegweisende Abschlussdiskussion „Wann ist ein Mann ein Mann“ wurde von einer Feministin geleitet. Ganz einfach und bescheiden stellt sich die Frage, wie es wohl aufgenommen worden wäre, wenn eine Gruppe von Männern sich erdreistet hätten, einen vergleichbaren Anlass zu offerieren, bei dem sie sich ausgiebig über Frauen ausgelassen und deren Zukunft definiert hätten. Die Antwort erübrigt sich in diesem Falle.
Das zweite Ärgernis betrifft die Einseitigkeit der Themen. Männliche Problemfelder – wie sie die empirischen Sozialwissenschaften schon seit langem ausgewiesen haben – wurden in der gesamten Vorlesungsreihe nicht einmal peripher angesprochen. Nennen wir einige Beispiele: die – im Vergleich zu Frauen – höhere Sterblichkeit und schlechtere Gesundheit, die fast viermal höhere Suizidquote, die seit Jahren höhere Arbeitslosigkeit, der strukturelle Tatbestand, dass klassische Männerberufe immer mehr erodieren und die damit verbundenen Identitätsprobleme für Männer, die Entstehung eines männlichen Prekariats, die gravierenden Probleme nach Trennung und Scheidung, Ungerechtigkeiten im Rechts- und Sozialsystem, die Ignoranz der Geschlechterpolitik gegenüber Männern, Förderungsmassnahmen, die sich exklusiv an Frauen und Mädchen richten, und nicht zuletzt: die zunehmenden und inzwischen stellenweise dramatischen Schwierigkeiten mit dem eigenen Rollenbild. Nichts davon, nicht einmal ansatzweise, in dieser Vorlesungsreihe. Kein Wunder. Auf die Frage von Michelle Binswanger , ob der Mann „heute das benachteiligte Geschlecht sei. Was sagen Sie dazu“, reagiert die Initiantin der Veranstaltung eindeutig und harsch: “In keiner Weise“. Sicher wäre es Unfug, Männer nun universal als das benachteiligte Geschlecht zu bezeichnen; doch der Benachteiligungen gibt es mittlerweile genug – so wie es auch auf Frauenseite spezifische Benachteiligungen gibt. Solches überhaupt nicht einmal in den Blick zu nehmen, ist ein Verstoss gegen die einfachsten Gesetze der Wissenschaftlichkeit. Doris Köhler-Bischof, die lange in Zürich doziert hat, belehrt: „Wenn man als empirische Wissenschaftlerin sozialisiert ist, hat man gelernt, Spekulationen nicht für bare Münze zu nehmen, nur weil sie originell klingen. Man bemüht sich, das Regulativ der empirischen Kontrolle zu respektieren, auch wenn es den Erwartungen widerspricht. Die Genderbewegung hat, soweit ich erkennen kann, kein Interesse an Objektivität. Hier scheint ein konstruktivistisches Weltbild vorzuherrschen, dem zufolge so etwas wie eine objektive Wirklichkeit, die es zu erforschen gilt, nicht existiert.“
Das wird bei der monierten Vorlesungsreihe noch dadurch verschlimmert, dass dem Ganzen von vornherein ein feministisches Korsett übergestülpt wird. In diesem Sinne wird das Eingangsreferat von einem amerikanischen Soziologen gehalten, der sich je schon immer als Feminist versteht und gerade einen feministischen Ratgeber für Männer geschrieben hat. Auf die Frage von Michelle Binswanger an dieser Stelle, was man sich unter Männerforschung eigentlich vorzustellen habe, antwortet die Initiantin der Vorlesungsreihe: „Leitend ist hier das Konzept einer hegemonialen Männlichkeit, wie sie die Männerforscherin Raewyn Connell beschreibt“. Das ist entweder unsinnig oder bösartig oder beides. Männerforschung ist die Analyse der historisch gewachsenen Lebensbedingungen von Männern. „Hegemoniale Männlichkeit“ ist hingegen ein feministisches Konstrukt, das empirisch niemals belegt wurde. Es sei noch hinzugefügt, dass „die Männerforscherin Connell“ bis vor kurzem ein Männerforscher war und sich dann für das andere Geschlecht entschieden hat. Ein im übrigen durchaus konsequenter Schritt, nachdem sie über Jahrzehnte Männerablehnung gepredigt hatte.
Zurück zum Grundsätzlichen. In einem Blog war an dieser Stelle vor kurzem zu lesen: „Genau besehen ist es doch unverschämt, dass sich Frauen die alleinige Deutungshoheit in Geschlechterfragen - und insbesondere in der Klassierung des Mannes - herausnehmen. Oder lasen Sie schon einmal einen Artikel aus der Feder eines Mannes, der sich in gleich infamer Weise über Frauen auslässt, wie dieser hier sich über den Mann?“
Wo er Recht hat, hat er Recht.
*em. Prof. für politische Soziologie, u.a. Gutachter des Europarates für Männerfragen, Autor von „Was vom Manne übrig blieb“ (2o12)
Rezension von G. Staerk
Sie bezieht sich auf "Was vom Manne übrig blieb: Das missachtete Geschlecht" (Taschenbuch)
"Dieses Buch bringt auf den Punkt was man vielleicht unterschwellig spürt, jedoch selbst meist nicht in Worte fassen kann. Offen, ehrlich und direkt deckt es auf, was im Fokus der 'Emanzipation' untergegangen ist und noch immer nicht gesehen werden will und meist auch nicht gesehen werden kann. Es ist eine Basis für mehr Respekt und Achtung gegenüber dem 'Männlichen', ein Anstoss zum Hinschauen für jede Mutter von Söhnen, sowie Klärung und Wachrütteln für den Mann. Sehr zu empfehlen."
Leser-Reaktion auf den Artikel "Tickende Zeitbomben - Warum junge Männer Amok laufen" im "Tagesspiegel" (Berlin).
Vom "Commentarist"-Service festgestellt der dritt meist gelesene Artikel in Deutschland.
meine Hochachtung für diesen Artikel. Ebenso vielen Dank an den Tagesspiegel. Beleuchtet er doch ziemlich gut und klar, was gerade in D. durch übertriebenes Gender Mainstreaming kaputt gemacht wird. Jungs und Männer werden massiv benachteiligt. Wenn man 2 schulpflichtige Jungen hat, weiß man von was man redet. Mittlerweile gibt es dazu unabhängige Gutachten, z.B. vom Aktionsrat Bildung: Geschlechterdifferenzen im Bildungsystem, 2009. Dort wurde über einige Jahre bewiesen, dass Jungen trotz besserer Noten keine Empfehlung für das Gymnasium bekommen.
Die einzige Förderung, die Jungen bekommen sind "neue Wege für Jungs" oder in NRW, "Jungen fördern ohne Mädchen zu benachteiligen". Hier geht es darum "Rollen aufzubrechen". Die einzigen Maßnahmen von 8 in diesem Paket für Jungen sind Antiagressionstraining und Ausdruckstanz, die anderen Maßnahmen sind wieder reine Mädchenförderung.
Das sind nur einige Punkte, mit denen Jungen und Männer benachteiligt werden. Begründet wird das mit dem Gender Mainstreaming, das auf den Gender Studies fusst. In Norwegen, wurde den Gendser Studies die Wissenschaftlichkeit aberkannt und sie als Ideologie entlarvt, da neue Forschungen belegt haben, dass alle Ansätze von Gender widerlegt sind. Die gesamte Genderforschung in Nor wurde aufgehoben, die Förderung wurde eingestellt, Institute geschlossen. In Schweden kommt diese Diskussion auch gerade hoch. Nur D träumt noch von Gender und schwelgt in der Diskriminierung von Frauen. Dass 40% aller Gewalttaten mittlerweile auch nachgewiesen in der Beziehung von Frauen ausgehen wird ausgeblendet. Dass der vielbeschworene Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern von 23 % nicht mehr haltbar ist (s.. statistisches Bundesamt 2010) ist irrelevant. All das wird genutzt, um der Öffentlichkewit klar zu machen, Männer und Jungs, sind es wert, sie zu diskriminieren.
Noch einmal meine Hochachtung für Herrn Hollstein und den "Tagesspiegel"
Mein Buch "Was vom Manne übrig blieb" ist seit Frühjahr 2012 beim Aufbau-Verlag vergriffen. Eine komplette Neubearbeitung - aktualisiert und um einige Kapitel erweitert - erscheint im C.G. Jung-Verlag "Opus Magnum" in Stuttgart.
Aus: Politik und Zeitgeschehen" No 40/2012
Walter Hollstein
Essay
„In unseren Augen, da muss der deutsche Junge der Zukunft schlank und rank sein, flink wie Windhunde, zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl!" So formulierte der höchste Repräsentant des national-sozialistischen Staates sein Männerbild, das dann während zwölf Jahren der faschistischen Herrschaft auch
das allgemein gültige war. Die Folgen sind bekannt: zerstörte Landschaften und Städte, Millionen Tote im In- und Ausland, ein hoher Blutzoll vor allem bei jüngeren Männern, Hass und Misstrauen über lange Zeit.
Eine Aufarbeitung des Geschehens unter dem Stichwort der „Vergangenheitsbewältigung" erfolgte zunächst nur zögerlich und allenfalls in moralischen Kategorien, da die pragmatische Bewältigung des Alltags alle Kräfte benötigte. Der notwendige Wiederaufbau fokussierte die Energie nach außen und damit auch die Reaktualisierung klassischer Männlichkeitsqualitäten wie Kraft, Leistung, Verzicht und Disziplin. Diese Entwicklung wurde später vorwurfsvoll mit dem Wort von der „Unfähigkeit zur Trauer" belegt. Erst mit der Studentenbewegung Ende der 1960er Jahre setzte eine kritische Auseinandersetzung mit der Generation der Väter ein. Damit verbunden wurden auch sukzessive „heroische", soldatische und schließlich generell: traditionelle Männlichkeitsentwürfe problematisiert. ........
Wie weit sind wir eigentlich schon?
Im Frühjahr d.J. hatte die FAZ am Sonntag zugesagt, von mir einen Artikel über diverse Studien zum Antifeminismus zu veröffentlichen. Der Anfang im folgenden:
Ein neues Gespenst geht um in Europa, genannt „Antifeminismus". Jedenfalls, wenn man den Feministen und ihren Apologeten glaubt. Für den Soziologen Hinrich Rosenbrock zum Beispiel ist Antifeminismus „Hasspropaganda". Wörterbücher zeigen sich neutraler. Antifeminismus – so heißt es da - „bezeichnet eine gegen den Feminismus gerichtete kritische Haltung". Das können einige offenbar so nicht mehr denken; sie stellen den Antifeminismus a priori und das heißt: ohne sachliche Prüfung unter Verbotsschilder. Inzwischen ist die Situation so weit gediehen, dass eine kritische Auseinandersetzung mit feministischen Postulaten schon als undemokratisch oder sogar rechtsextrem diffamiert wird. .....
Ein Erscheinungstermin stand bereits fest. Dieser fiel dann der Diskussion um das Grass´sche Israel-Gedicht zum Opfer. So musste die Veröffentlichung verschoben werden, und das mehrmals. Schließlich erhielt ich vom verantwortlichen Redakteur den folgenden Brief:
Lieber Herr Hollstein,
Ich fürchte, ich schreibe Ihnen mit schlechten Nachrichten... Und zwar ist Volker Zastrow, der Leiter dieses Ressorts, unlängst von der „Emma" zum „Chefmaskulisten" ernannt worden. Wir möchten Ihren Text nun erst einmal nicht bei uns bringen, aus Sorge, dass der als Replik auf den zweifelhaften Ehrentitel verstanden werden könnte (...)
Es tut mir ausgesprochen leid, Ihnen das schreiben zu müssen, ich hoffe sehr, dass Sie das verstehen können.
Mit besten Grüßen, Ihr Alard Kittlitz
Die vorweg genommene Angst vor der „Emma" verhindert so die kritische Auseinandersetzung mit Feminismus und Antifeminismus. Das hat man einmal „vorauseilenden Gehorsam" genannt. So weit sind wir also schon (wieder).
Im März 2011 habe ich vom Wiener „Standard" die Anfrage erhalten, zum internationalen Frauentag einen Artikel über die Situation der Männer zu schreiben. Man wollte bewusst einmal einen anderen Text statt der üblichen feministischen Elaborate. Das ganze erschien und löste eine lebhafte Debatte mit rund 1.000 Beiträgen aus der Leserschaft aus: http://derstandard.at/1297819762908/Zum-Rollenbild-von-Emanzipationsverlierern-Die-ungestellte-Maennerfrage
Viele Männer, aber auch Frauen und sogar einige Feministinnen wie z.B. die Leiterin eines Frauenhauses, antworteten zustimmend.
2 Beispiele:
DANKE für Ihren Mut über diese traurige Wahrheit zu schreiben. Für mich und die meisten meiner männlichen Freunde ist die Männlichkeit total verloren gegangen, wir haben schlicht keine Ahnung, was es bedeutet ein Mann zu sein. Wir sind große verunsicherte Buben in Männerkörpern, die versuchen alles für dieses Frauenzeitalter richtig zu machen und bekommen dafür von allen Seiten eines auf die Schnauze. Zuerst von unseren kaputten Vätern, die nie da waren, auf Alimente beschränkt, dann werden wir in Betreuungseinrichtungen von Frauen zurecht gestutzt (Betreuer, die Männliche Werte vermitteln können, muss man mit der Lupe suchen) und dann noch eins von den eigenen (geliebten) Frauen, denen wir entweder Macho oder Softie sind... und wer will das schon? (Bruce Willes)
„Hollstein hat eindrucksvoll gezeigt, wie leicht mit einfachster und berechtigter Kritik Feminismus zum wanken gebracht wird. Für eine Ideologie deren Bestand nur aus dem Verbot von Kritik an ihr gesichert ist, ist wohl Kritik die größte Gefahr die Feminismus fürchten muss. Den Beweis tritt die zahlreiche Flut an Artikeln an, die Hollstein als Person verunglimpfen, sich die Ohren zuhalten und sektenartig feministische Sichtweisen runter beten nach dem Motto "Hört nicht auf ihn, redet nicht mit ihm, geht weg von ihm und redet nur mit uns!". Ein Feminismus-kritischer Artikel und schon geht eindrucksvoll die Angst bei den Feministinnen um." (Goofos)
Hingegen lief die Frauenredaktion des „Standard" Amok und veröffentlichte gleich am anderen Tag die Antwort unter dem Titel „Dumm, dreist und frauenfeindlich". Abgesehen davon, dass es schon erstaunlich ist, wenn Teile einer Redaktion, die einen Gast zu einem Artikel einlädt, nur noch mit Verunglimpfungen reagieren kann, ist die Antwort ohne Substanz und Beweiskraft. (dieStandard.at-Replik: Dumm, dreist und frauenfeindlich)
Aus der Redaktion war dann intern zu erfahren, dass es „ein tagelanges Hin- und Herfetzerei in der mailbox gegeben hat, Schreiduelle, Tränen und Zorn. Dazu noch die Beschimpfungen von den Amzonen aus dem Büro für Gleichtellungsfragen und Umgebung, Abo-Kündigungen..." (etc.)
Ein Jahr später nimmt die österreichische internet-zeitschrift „termit", die sich selber „links und emanzipatorisch" nennt, noch einmal Stellung dazu, fordert erneut zum Protest beim „Standard" auf. U.a. heisst es im „termit"-Artikel: „Auch seien Eure Kinder, liebe alleinerziehenden Mütter, kränker, weisen schlechtere Schulleistungen auf, eine größere Suizidquote, häufigere Ausbildungsabbrüche, höhere Verwahrlosungstendenzen und Kriminalitätsraten und sind – aufgrund ihrer Vaterdeprivation – sogar noch im fortgeschrittenen Erwachsenenalter einem signifikant höheren Depressionsrisiko ausgesetzt”. Oh Menschen dieser Welt, senkt das Haupt und gedenkt schweigend all dieser Zehntausende, die leiden, da sie ihre Väter nie kennen durften. Jetzt mal abgesehen davon, dass das alles ziemlicher Mist ist, abgesehen davon, dass Hollstein nicht einmal seine Behauptungen belegen könnte. Und was den Walter Hollstein angeht: Ich hoffe er begegnet mal ein paar dieser Kinder mit „höheren Verwahrlosungstendenzen und Kriminalitätsraten" allein in einer finsteren…."
Das alles – in kürzester Kürze – sei dokumentiert, was ein kleiner empirischer Artikel über Männer heute in einem gewissen Milieu auslöst. Feminismus als Staatsraison (siehe auch „September").
Junge Männer als tickende Zeitbomben
In England tobt angeblich der Mob; der englische Premier reduziert die Unruhen auf das Werk von „Kriminellen“.John Pitts, Kriminologe und Experte für Jugendkultur, präzisiert: Die meisten Plünderer seien junge Menschen, die nichts zu verlieren hätten, „ weil sie keine Zukunft haben». In Wirklichkeit sind diese „jungen Menschen“ ausnahmslos junge Männer in einer spezifischen Lage: kein Schulabschluss, keine Ausbildung, kein Job, keine familiäre Sicherheit und keine Hoffnung auf Besserung. So sind sie tickende Zeitbomben, wo es eine Nichtigkeit braucht, um sie explodieren zu lassen.
Vor dieser Entwicklung haben weitsichtige Soziologen wie zum Beispiel Lord Dahrendorf schon vor rund 2o Jahren gewarnt. Hatte Dahrendorf noch die Gefahr wachsender Gruppierungen von jungen Männern benannt, die aus der Arbeitsgesellschaft heraus gefallen sind und sich aufgrund eines traditionalistischen Männerbildes auch keinen veränderten Bedingungen anpassen können, gab es nur wenige Jahre später schon ganze Stadtviertel, die von diese „angry young men“ geprägt wurden - etwa Norris Green in Liverpool, Moss Side in Manchester oder Tottenham in London.
Diese Entwicklung trägt sich zunehmend in die großen Städte der deutschsprachigen Region. Auch hier gibt es Quartiere, die von der jeweiligen Gesamtstadt abkoppeln und ihre Randexistenz zementieren. So bildet sich - entsprechend einer deutschen Untersuchung -„eine Schicht von überwiegend männlichen Personen heraus, die sich mit minimalen Bedürfnissen einrichten und am allgemeinen gesellschaftlichen Leben kaum mehr teilnehmen“. Diese Realität und ihre Folgen lassen sich in einem soziologischen Dreisatzfassen:Desintegration=Dezivilisierung=Anomie. Dezivilisierung bedeutet zunehmende Verwahrlosung und Missachtung von Leben und Besitz, was schliesslich in die Anomie als Normlosigkeit und Zerfall der Ordnung führt. Insofern lebt London vor, was auch dem Kontinent droht.
TAGESANZEIGER (Zürich)
Edith Paland
Referat 408
Gleichstellungspolitik für Jungen und Männer
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Rochusstr. 8 – 10, 53123 Bonn
Sehr geehrte Frau Paland,
ich versuche seit geraumer Zeit nähere Informationen über den Jungenbeirat zu finden, den ihre Ministerin ins Leben gerufen hat. Leider habe ich nur sehr allgemeine Hinweise bekommen, die – diskret formuliert – wenig aussagekräftig sind. Wie ich dem Internet entnehme, bin ich nicht der einzige, der diese Erfahrung gemacht hat. Von daher wäre ich ihnen verbunden, wenn Sie mir nähere Informationen über Aufgabe und Zielsetzung dieses Beirats schicken könnten. Zum zweiten würden mich die Kriterien interessieren, nach denen die Mitglieder des Beirats berufen wurden. Ich bin selber seit fünfundzwanzig Jahren in der Männerforschung und -arbeit tätig und habe mich gewundert, dass niemand, der sich bisher in der Jungenarbeit und -forschung ausgezeichnet hat, in diesem Beirat sitzt, wie z.b. Ulf Preuss-Lausitz, Lothar Böhnisch, Rainer Neutzling, Frank Dammasch, um gerade nur einige Namen zu nennen. Stattdessen sind Männer berufen, die bislang mit der Jungenarbeit eigentlich nichts zu tun hatten. Da wäre ich ihnen um sachliche Aufklärung verbunden.
Mit freundlichen Grüssen,
Walter Hollstein
Dieses Schreiben wurde auch nach mehrfacher Nachfage nicht beantwortet.
Sehr geehrter Herr Rödde,
da Sie presserechtlich in der Verantwortung für die Studie "Bildung von Geschlecht" stehen, möchte ich Ihnen kurz schreiben. In meiner Berliner Zeit war ich als Hochschullehrer rund 20 Jahre Mitglied Ihrer Gewerkschaft.
Unlängst habe ich Ihre Schrift "Bildung von Geschlecht" gelesen - mit dem Untertitel "Zur Diskussion um Jungenbenachteiligung und Feminisierung in deutschen Bildungsinstitutionen". Ich war einigermassen entsetzt, dass eine angesehene Gewerkschaft eine ja nicht unbeträchtliche Summe an Geldmitteln für ein solches Machwerk investiert. abgesehen davon, dass der Verfasser wohl sämtliche Grundkurse über wissenschaftliches Arbeiten geschwänzt hat, ist besonders der selektive Blick auf die Problematik ärgerlich. der Autor berücksichtigt an Daten und Quellen nur das, was ihm für sein Vorhaben, die offensichtliche Jungenkrise kleinzuschreiben, dienlich ist. Die Arbeitsweise ist ideologisch statt objektiv und sachlich, wie eigentlich etwas sein sollte, das sich "Studie" nennt. Da das ganze Projekt ja auch unter dem Label "Frauen in der GEW " firmiert, liegt der Verdacht nahe, dass es hier darum geht, die manifesten Probleme von Jungen im Bildungsbereich zu leugnen, um damit weiterhin den Fokus auf der M ädchenförderung zu belassen. Eine solche Politik ist nicht nur unehrlich, sondern auch kurzsichtig. Schon jetzt zeigen sich die Auswirkungen der hohen Versagerquoten von Jungen im Bildungssystem u.a. beim Mangel von Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt. Sie dokumentieren sich aber auch als allgemeine Orientierungskrise bei Sinnproblemen von Jungen, in Gewalt, zunehmendem Hooliganismus oder der hohen Suizidrate in der Pubertät. Es ist schon makaber, wenn eine Gewerkschaft das alles nicht zur Kenntnis nimmt. Da es ja nicht nur "Frauen in der GEW " gibt, sondern auch Männer, wäre es ja vielleicht eine vornehme Aufgabe der selben, sich einmal auf aufrichtige und authentische Weise der Probleme der eigenen, heranwachsenden Geschlechtsgenossen anzunehmen.
Mit freundlichen Grüssen,
Prof. Dr. Walter Hollstein
Von Walter Hollstein
Die seriöse Wahlforschung hat soeben festgestellt: Innert 12 Jahren sind 20 % der jungen Männer in der Schweiz politisch nach rechts „gewandert“. Während sich 1995 16% als rechts geoutet haben, waren es 2007 schon 36 Prozent. Das ist alarmierend, aber keineswegs erstaunlich. Kritische Beobachter weisen schon seit mehr als 20 Jahren darauf hin, dass es bei jungen Männern eine zunehmende Orientierungskrise gibt. Das hat Gründe. Cheryl Benard und Edit Schlaffer - immerhin Feministinnen - verdeutlichen dies am Beispiel kleiner Buben, denen aufgrund des veränderten Zeitgeistes „ ihre Vielseitigkeit und Sensibilität weggenommen“ und die „durch Spott, Zwang und Abwertung“ systematisch „begrenzt und verhärtet“ werden. Die beiden Sozialwissenschaftlerinnen bemängeln, dass bei Jungen – im Gegensatz zu modernen Mädchen – „in der Erziehung und in der Lebenswelt (...) neue Ziele, neue Wertvorstellungen, neue charakterliche Richtlinien nicht wirklich“ vorkommen.
Buben sind seit mehreren Jahrzehnten die im negativen Sinne „auffälligen“ Schüler; sie stellen zwei Drittel der Absolventen von Sonderschulen; ihre Verhaltensstörungen sind signifikant häufiger als die von Mädchen, und ihre Suizidzahlen übertreffen jene der Mädchen um das acht- bis zehnfache. Seit einigen Jahren liegt auch der durchschnittliche Bildungserfolg der Jungen im deutschsprachigen Raum erheblich unter jenem der Mädchen. Problemschüler, Schüler ohne Schulabschluss, Schulversager, Schulwiederholer und Schulschwänzer sind fast ausschliesslich männlich.
Alle diese Symptome lassen sich letztendlich auf die Ursache zurückführen, dass es für Jungen in den vergangenen Jahren immer mühsamer geworden ist, einen sinnvollen Weg zum Mannsein zu finden. „Unsere Söhne haben Probleme“, schreibt der renommierte Psychologe William Pollack., „und diese Probleme sind gravierender, als wir denken“.Sie können sich nicht mehr an allgemein gültigen Bildern von Männlichkeit orientieren, wie das früher der Fall war. Stattdessen müssen sie sich allein zurecht finden. Die Folge ist – wie eine repräsentative Studie über 2ojährige Männer vor kurzem festgestellt hat – eine grosse Angst vor der Zukunft. „Die Männer leiden in ihrer subjektiven Befindlichkeit und fühlen sich in der Defensive“.
Die linken Parteien haben seit langem nur ein Ohr für frauenpolitische Anliegen; die bestehende Männerkrise nehmen sie nicht zur Kenntnis. Der frühere SP-Präsident Hans-Jürg Fehr hat die Männer gar aufgefordert, Feministen zu werden. Anders die konservativen Parteien: sie bieten ein klares Männerbild an, eine klare Arbeitsteilung der Geschlechter und eine klare Perspektive für Männer. Das ist zwar alles rückwärtsgewandt, aber eben: klar und damit auch verlockend.
Die historische Fehlleistung der bisherigen Gleichstellungspolitik besteht darin, dass sie Männer grundsätzlich nur als Sündenböcke erkennt, aber nicht als Ansprechpartner. In diesem Sinne benennt das „Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann“ als einen wichtigen Tätigkeitsbereich den Kampf gegen die Gewalt an Frauen; dass 85% der Opfer von Gewalt Jungen und Männer sind, wird erst gar nicht zur Kenntnis genommen. Der Begriff der Diskriminierung wird durchgängig in allen Lebensbereichen und ausschließlich auf Mädchen und Frauen bezogen; nichts von der frühen Sterblichkeit der Männer, der wachsenden Arbeitslosigkeit, den Problemen beim Sorge- und Scheidungsrecht. Angesichts solcher Parteilichkeit braucht es nicht viel Fantasie, um vorauszusagen, dass junge Männer noch stärker nach rechts rücken werden.
Das probate Gegenmittel wäre, dass Männer von der Politik überhaupt erst einmal adäquat wahrgenommen werden. Dazu gehört mit Sicherheit eine seriöse Auseinandersetzung mit den sog. Antifeministen statt diese von vornherein zu verunglimpfen. Auch Männer wollen ernst genommen werden.
Tagesanzeiger (Zürich)
von Walter Hollstein
Es ist ein historischer Moment. Bekanntlich können historische Momente
positiv wie negativ sein. Die Amoktat von Lörrach gehört zur negativen
Seite: Zum ersten Mal ist eine Frau im deutschsprachigen Raum Amok
gelaufen. Bisher war das ein Monopol des anderen Geschlechts. Der
traditionelle Amoktäter ist männlich, ziemlich jung, im Regelfall
erfolglos, von daher subjektiv frustriert und objektiv häufig
benachteiligt.
Die Mörderin von Lörrach war nichts dergleichen. Die Tat
war von einer Grausamkeit, wie sie sonst nur Männern unterstellt wird.
Auch sonst mutet das biographisch Bekannte eher „männlich“ an:
Einzelgängerin, Schützenverein, Waffenfan, langfristige und
detaillierte Planung der Tat oder die Verweigerung der normalerweise üblichen Therapie nach einer Fehlgeburt.
Frauen holen Männer offenbar
auch im Negativen ein: beim Herzinfarkt und beim Lungenkrebs, beim
Komasaufen, bei schweren Verkehrsunfällen und nun beim Amoklauf.
Insofern liesse sich fragen, ob Ziele und Strategien der Emanzipation
nicht einmal kritisch überdacht werden müssen. Die Frauenbewegung war
einmal angetreten, um eine menschlichere Gesellschaft zu schaffen.
Etwas Zweites fällt auf. Die Opfer der Lörracher Mörderin sind
ausschliesslich männlich – die Toten ebenso wie die Angeschossenen.
Nach dem Amoklauf in Winnenden hat Alice Schwarzer vom „Frauenhass“ des Täters gesprochen, weil er mehr Schulkameradinnen als
Schulkameraden ermordet hatte. Obwohl Polizei und Kriminalisten diesen
Vorwurf unisono widerlegt hatten, konnte die „Emma“-Herausgeberin ihre
These in der grössten deutschen Wochenzeitung ausbreiiten, im Fernsehen
und in diversen Talkshows. Nun, da „nur“ Männer ermordet oder verletzt
sind, sieht sich niemand bemüssigt, auf diesen geschlechtsspezifischen
Tatbestand hinzuweisen. Sind weibliche Opfer mehr wert als männliche?
Haben nur erstere Empathie und Mitleid verdient und letztere nicht?
Diese Optik verstärkt sich noch, wenn eine deutsche Psychiaterin den
Amoklauf zu Lörrach in eine „Tat aus Liebe“ umdeutet. Gerechterweise
wird man anmerken müssen, dass die Fachfrau dieses Liebesmotiv auch
dem Familienmörder von Riehen zugute hält, der - drei Tage nach der
grausamen Tat von Lörrach – seine Tochter, seine Ehefrau und sich
selber umgebracht hat.
Liebe tötet also. Gegen eine solche Interpretation muss grundsätzlich
Einspruch erhoben werden. Nicht nur wird hier ein Begriff pervertiert;
es wird unterschwellig auch ein unreifes, kindliches Menschenbild zur
Norm erhoben. Von einem erwachsenen Menschen muss man erwarten können,
dass er mit Enttäuschungen, Versagungen, Trennungen und auch mit
traumatischen Lebenslagen umzugehen weiss. Von einem erwachsenen
Menschen muss man ebenfalls erwarten, dass er sich im Laufe seiner
biographischen Entwicklung zureichend Frustrationstoleranz und
Resilienz erworben hat, um Schlimmes, was ihm widerfährt, einigermassen
adäquat zu verarbeiten und nicht an Unschuldigen auszulassen. Verluste– so oder so – gehören zu jedem Leben. Die Tiefenpsychologie lehrt
sogar, dass Menschen daran reifen und wachsen. Mit Amok und
Familienmord zu reagieren, ist ein Zeichen der Unreife. Es mag
allerdings für den Zustand unseres Gemeinwesens symptomatisch sein,
dass Amokläufe und Familienmorde in den vergangenen Jahren markant
zugenommen haben.
Zur Wahrheit gehört, dass fast alle Täter Männer waren. Lörrach ist– bisher – die Ausnahme. Nun ist auch das nicht Schicksal. Wenn
gesellschaftlich Männlichkeit so verändert würde, dass sie nicht mehr
Gefühlspanzer bedeutet, sondern Dialogbereitschaft, müssten Männer aus
ihrem Herzen keine Mördergrube mehr machen, sondern könnten sich öffnen und ihre Sorgen benennen, müssten sie niemanden und auch nicht
sich selber umbringen, sondern könnten gemeinsam nach Lösungen suchen.
Dafür müsste allerdings die männliche Rolle dergestalt erweitert
werden, dass Männlichkeit nicht darin besteht, keine Probleme zu haben
oder sie nicht artikulieren zu dürfen. Es ist in diesem Kontext
schon makaber, dass ausgerechnet in Riehen, wo dieser schreckliche
Familienmord nun geschehen ist, die Direktorin der psychiatrischen
Klinik „Sonnenhalde“ eine Männerberatungsstelle zwei Wochen vor deren
Eröffnung ohne Begründung schliessen liess. Mathias Franz, der
Organisator des 1. wissenschaftlichen Männerkongresses, der im
vergangenen Frühjahr an der Heinrich-Heine Universität zu Düsseldorf
statt fand, hat dort eindrücklich beschrieben , dass es auch für
Männer „überlebenswichtig“ sei, sich rechtzeitig Hilfe holen zu können,
ohne dabei das Gefühl haben zu müssen, die mühsam erworbene
Männlichkeit wieder zu verlieren. „Die Fakten zur misslichen Situation
der Männer liegen seit 30 Jahren auf dem Tisch. Aber entsprechende
Maßnahmen lassen auf sich warten, obwohl die Nachfrage da ist“. Die
beste Prävention gegen den männlichen Familienmord wäre die Erweiterung
der Männerrolle um die Aspekte erlaubter Schwäche und erlaubter Bitte
um Hilfe.
Das Allerwichtigste wäre aber etwas Drittes: es gibt in unseren
Breitengraden Wirtschaftspolitik und Verteidigungspolitik und
Agrarpolitik und Steuerpolitik und und und. Es gibt aber keine
Geschlechterpolitik, die sich darum kümmern würde, dass Buben und
Mädchen, Frauen und Männer besser und solidarischer miteinander
umgehen, dass sie das rechtzeitig und nachhaltig lernen, im
Kindergarten, in der Schule und vor allem natürlich von den eigenen
Eltern. Auch das würde Amokläufe, Verbrechen aus Leidenschaft und
Familienmorde nicht völlig verhindern, aber zumindest reduzieren, wie
auch die Erfahrung lehrt.
Gastkommentar
Die Welt, 11.05.2010 Gastkommentar: Feminismus-Kritiker unter Generalverdacht
von Walter Hollstein
Die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung hat soeben eine Schrift
veröffentlicht, die sich mit dem gegenwärtigen Geschlechterverhältnis
in Deutschland auseinandersetzt. "Geschlechterkampf von rechts" heißt
das Ganze, und Autor ist der Kölner Journalist Thomas Gesterkamp.
Zentrale These und Arbeitsergebnis zugleich resümieren sich im
Untertitel des Dokuments: "Wie Männerrechtler und
Familienfundamentalisten sich gegen das Feindbild Feminismus
radikalisieren."
Den behaupteten "Geschlechterkampf von rechts" verortet der Autor auf
ganz unterschiedlichen Ebenen: personell bei Publizisten wie Volker
Zastrow, Frank Schirrmacher oder Arne Hoffmann, bei Wissenschaftlern
wie Gerhard Amendt oder Matthias Franz, Organisator des ersten
wissenschaftlichen Männerkongresses in diesem Frühjahr in der
Heinrich-Heine-Universität zu Düsseldorf, und bei
Geschlechterinitiativen, die sich wie etwa "Agens" oder der"Väter-Aufbruch" für bestimmte Männer-Rechte wie zum Beispiel eine
bessere Sorgerechtsgestaltung für geschiedene Väter einsetzen.
Angepriesen wird das Dokument von der Friedrich-Ebert-Stiftung als "Expertise", das heißt zu Deutsch: wissenschaftliches Gutachten. Dessen
Standards scheinen dem Autor aber gänzlich fremd zu sein. Weder belegt
er, wie er im Einzelnen zu seinen Daten und Ergebnissen gekommen ist,
noch legt er irgendwelche Auswahlprinzipien für seine Untersuchung vor.
Methodische Überlegungen hält er für überflüssig, und inhaltlich setzt
er sich nicht einmal ansatzweise mit den Argumenten und Positionen der
attackierten Publizisten, Wissenschaftler oder Institutionen
auseinander. Stattdessen verunglimpft, denunziert und halbwahrheitet
er.
Dazu passt, dass an keiner Stelle definiert wird, was nun "rechts""rechts-extrem" oder "rechter Geschlechterkampf" eigentlich ist.
Besieht man sich genauer, was Gesterkamp da alles in einen angeblich
braunen Sumpf wirft, sind das Autoren, Wissenschaftler und
Institutionen, die Vorbehalte gegen den Feminismus geäußert haben. Das
aber ist weder ein Sakrileg noch ein Angriff auf das Grundgesetz. Eine
solche Kritik - in jeder Hinsicht ja legitim - mit dem perfiden Etikett"rechts" zu versehen bedeutet nicht nur den öffentlichen Aufruf zu
einem Denkverbot, sondern ist darüber hinaus auch eine gefährliche
Verniedlichung des wirklichen Rechtsextremismus.
Am 6. Mai 2010 hätte in Riehen/Basel die Männerberatungsstelle Pro Mann für die Region eröffnen sollen. Neu an diesem Angebot wäre gewesen, dass es auf die Identitäts-, Orientierungs- und Beziehungsprobleme von Männer fokussiert sein sollte und damit eine grosse Lücke in einem Basler Angebotsspektrum geschlossen hätte, das primär auf Männergewalt ausgerichtet ist. Neu war ebenfalls die An- und Einbindung in die (psychiatrische) Klinik Sonnenhalde, die in gravierenden Fällen eine direkte Intervention erlaubt hätte. Das Projekt wird in der unten stehenden Meldung, die ich Mitte April an die Medien und an Männerberatungen im deutschsprachigen Raum verschickt hatte, des näheren beschrieben.
In der ferienbedingten Abwesenheit des Chefarztes der Sonnenhalde, Dr. Samuel Pfeifer, der das Projekt wesentlich mitkonzipiert und gestaltet hat, wurde die Eröffnung der Beratungsstelle von der Direktorin der Sonnenhalde, Ursula Fringer, untersagt. Zu diesem Zeitpunkt war bereits ein Flyer in einer Auflage von 5000 Exemplaren gedruckt, eine Eröffnungsfeier geplant und für Jänner 2011 ein grosses Männersymposium vorgesehen, für das die Referentenauswahl getroffen und ein Tagungsort angemietet war. Als Initiant und Leiter des Projekts wurde ich von Frau Fringer nicht einmal unterrichtet, sondern habe auf Umwegen vom Ende der Beratungsstelle kurz vor deren Anfang erfahren müssen. Gründe für die Liquidierung von Pro Mann sind mir ebenfalls nicht mitgeteilt worden. Damit wurde mit Sicherheit auch für Riehen die Chance eines innovativen Projekts verpasst.
Dieses Ereignis zeigt einmal mehr, wie willkürlich und fahrlässig mit der Problemlage von Männern umgegangen wird.
Prof. Dr. Walter Hollstein (Riehen) 02.05. 2010
In Riehen/Basel eröffnet am 6.5. die Männerberatungsstelle für die Region
Die Lebensbedingungen von Männern und Buben verschlechtern sich seit geraumer Zeit signifikant. In Erziehung, Bildung und Gesundheit werden Knaben und Männer eindeutig benachteiligt; inzwischen verlieren auch mehr Männer ihren Arbeitsplatz als Frauen. Jüngere Männer sind viel häufiger arbeitslos als junge Frauen und haben aufgrund dessen zunehmend Rollen- und Identitätsprobleme.
Generell stellt sich heute für viele die Frage: